So beginne ich also meine eigene Chronik zu schreiben. Heute Vormittag händigte ich Sicandor Treviel meine Collustratio aus, nach fünfzehn Wochen intensiver Recherche und zwei Wochen anstrengender Schreibarbeit.
Die ersten Worte, die ich in meinem Engeldasein gehört habe waren: „Salve, du bist ein Bote des Herrn!“
Schöner Mist, konnte ja niemand ahnen, dass ich als Bewahrer geboren wurde.
Angriffslustig spreizte die Gabrielitin ihre Flügel und ging leicht in die knie. Ihre Augen blitzten wütend. „Was erdreistest du dir, Sterblicher? Du vergisst wen du vor dir hast!“ Gerade als sie losspringen wollte, raunte ihr ein scharfer Befehl durch den Kopf.
Im Westen versank die Sonne wie eine glutrote Scheibe flüssigen Metals hinter dem wolkenverhangenen Horizont. Sie tauchte ab in eine bleigraue Sturmfront die ihre ersten Boten in Form von kalten Winden über das Land schickte.
Durch den Kopf des Gabrieliten schoss erneut Miruels Befehl: „Rückzug, es sind zu viele!“
Dann folgte seine eigene Stimme: „Aber Aruel ist noch dort… Ich hole ihn!“
„Nein! KOMM HIER HER!“
„Ich weiß etwas,das dich vergessen lässt, aber dafür musst du mir auch ernsthaft vertrauen…“
Während er mit ihr sprach fing er an, sich langsam der pechschwarzen Platte auf seiner Schulter zu entledigen und sie neben der Ibliels auf den Boden zu legen.
Der junge Engel stand in den grauen Schleiern des Wolkenbruchs wie ein Standbild, das Schwert vor sich und die Hände fest um den Griff geschlossen. Ihre braunen Augen wirkten leer und das schwarze Haar fiel ihr ungebändigt in die Stirn
Letzter Weg
Schon seit Stunden war Jibriel wach und sah aus dem hohen, bleiverglastem Spitzbogenfenster seiner Cellae. Gerade riefen die silbernen Glocken des Michaeli-Himmels dessen Bewohner zur Morgenandacht, und langsam erwachte das kollosaale Bauwerk zum Leben.